|
In einer wissenschaftlichen Arbeit befasst man sich nicht nur mit wissenschaftlichen Inhalten, sondern immer auch mit Form- und Stilfragen. Gute Formulierungen sind nicht einfach Zusatz, sondern wirken sich entscheidend auf die Qualität der Arbeit aus. Dem «Feilen» am richtigen Ausdruck und der formalen Überarbeitung ist somit grosse Bedeutung zuzumessen.
Viele WissenschaftlerInnen leiden unter der «Angst vor dem ersten Satz».
In den meisten Fällen läuft der Schreibprozess (vgl. Abb. 13) nicht problemlos und harmonisch ab. Die Ideen können noch so klar und ausgereift sein, trotzdem ist es immer wieder schwierig, diese in überzeugender, flüssiger Form aufs Blatt zu bringen. Schreibblockaden, das Fehlen der exakten Formulierung, die Unfähigkeit «etwas auf den Punkt zu bringen» kennen alle, die schon einmal eine Arbeit verfasst haben.
Folgende Tipps können bei Schreibproblemen und bei der Strukturierung des Schreibprozesses helfen. Eine rezeptartige Anwendung ist aber wenig hilfreich, da das Vorgehen beim Schreiben sehr stark variiert und somit auch Schreibstrategien individuell entwickelt werden müssen.
Abb. 13: Überblick über den SchreibprozessDer Schreibfluss kann begünstigt werden, wenn man sich die folgenden Hinweise zu Herzen nimmt.
Arbeitsplatz förderlich einrichten: Ein gut genutzter Arbeitsplatz begünstigt effizientes Schreiben. Am besten hat man alle zu gebrauchenden Quellen gleich zur Hand und verstellt sich den Arbeitsplatz nicht mit Büchern, die in anderen Kapiteln gebraucht werden. Überladene Schreibtische, kleine umherflatternde Notizen oder mehrere Bildschirmfenster im Hintergrund des Bildschirms erschweren den Überblick (Perrin 1999: 13).
Schreibort bewusst wechseln: Ein Wechsel des Arbeitsplatzes kann helfen, dem geschriebenen Text mit grösserer Distanz zu begegnen. Sinnliche Wahrnehmungen wie Ausblick aus dem Fenster oder Stimmen im Hintergrund beeinflussen das Erinnerungs- und Sprachvermögen und verändern die Betrachtung und Beurteilung des Textes. Eventuell kann es auch lohnenswert sein, unterschiedliche Schreibphasen nach unterschiedlichen Orten zu gliedern. Beispielsweise können schöpferische Prozesse draussen in einem Park, das Überarbeiten und Suchen nach exakten Begriffen eher an nüchternen Orten erfolgen (Perrin 1999: 21). Auch sollte man sich überlegen, ob man direkt in den Computer tippen will, oder ob man die erste Version eine Kapitels oder Artikels von Hand schreibt. Letzteres hat den Vorteil, dass man einerseits ortsunabhängiger arbeiten kann und anderseits beim Abtippen bereits eine erste Überarbeitungsphase einschalten kann. Das Von-Hand-Schreiben wird immer seltener praktiziert, was zur Folge hat, dass etliche Studierende bei längeren schriftlichen Prüfungen Krämpfe in den Händen bekommen und unleserlich schreiben, was die Korrekur erschwert.
Unterschiedliche Schreibphasen können an unterschiedlichen Orten stattfinden.
Den Stress lenken: Stressphasen treten bei fast allen Arbeiten auf, sind für den Schreibprozess jedoch nicht unbedingt schlecht. Allerdings sollte man nur das unter Hochdruck tun, was man unter Hochdruck gern und gut leistet. Beispielsweise ist es oft einfacher, unter Druck den Gedanken freien Lauf zu lassen, dagegen sind exakte Prozesse wie das Strukturieren eines Textes unter Stress schwierig zu bewältigen. Leitplanken und Strukturen sollten also besser schon vor Stressphasen bestimmt sein, um zu vermeiden, sich in Details und Ausschweifungen zu verlieren (Perrin 1999: 25).
Zeit- und Arbeitsplan erstellen: Das Hauptziel (Abgabe der Arbeit) wird am Besten in kleine, zeitlich abschätzbare Teilziele unterteilt, damit der Arbeitsaufwand besser abgeschätzt werden kann. Es lohnt sich, zu definieren, was wann fertig gestellt werden muss, sich also für jedes einzelne Kapitel eine Deadline zu setzen. Zudem ist es wichtig, genügend Zeit für die Überarbeitung und die Schlussredaktion einzuplanen. Um den Termindruck zu entschärfen, sollten möglichst viele Vorarbeiten vorgezogen werden.
Disposition und Textaufbau skizzieren: Vor dem eigentlichen Schreiben sollte unbedingt eine Disposition verfasst werden. Dies gilt auch für kurze Übungs- oder Seminararbeiten, auch wenn dies nicht immer zwingend gefordert wird. Probleme bei der Gliederung können so bereits früh identifiziert, besprochen und eventuell auch behoben werden. Wichtig ist, dass hier die Fragestellung(en) bereits bekannt sind (auch wenn sie im Verlaufe der Forschungsarbeit Änderungen erfahren können).
Kapitelaufbau planen: Zu jedem Kapitel sollte man sich Fokus, wichtige Stichworte, ungefähre Abfolge und zu gebrauchende Literatur überlegen, bevor man wirklich beginnt (Perrin 1999: 55). Wilde Schreibaktionen bei noch unklarem Konzept bringen in der Regel nichts, da das Auseinandernehmen und Neugliedern des geschriebenen Textes unverhältnismässig viel Zeit einnimmt. Zudem können dadurch Mehrfachnennungen, Wiederholungen und Nebensächlichkeiten vermieden werden, die beim Überarbeiten grossen Arbeitsaufwand verursachen.
Gewichtung der Kapitel vorgeben: Es ist angebracht, die ungefähre Seitenzahl, d.h. die Bedeutung der einzelnen Kapitel, festzulegen und sich beim Schreiben auch daran zu halten. Fertig geschriebene, zu lange Kapitel, die zu einem späteren Zeitpunkt wieder zusammengestrichen werden, vergrössern den Arbeitsaufwand unnötig (Kraas & Stadelbauer 2000: 131).
Stichworte zu den einzelnen Abschnitten einer Arbeit erleichtern das Schreiben.
Sinnvoll, wenn auch nicht immer machbar, ist es, sich kontinuierlich mit einer Arbeit zu befassen, wenn möglich mindestens zwei Stunden pro Tag. Sobald der Faden abreisst, ist der erneute Einstieg schwierig (Kraas & Stadelbauer 2000: 133).
Ob mit mühsamen oder weniger mühsamen, zentralen oder weniger zentralen Kapiteln begonnen wird, ist individuell verschieden. Meist ist es aber angenehmer, zuerst die schwierigeren Kapitel anzupacken und auch mehr oder weniger fertig zu stellen. Wenn man aber wirklich nicht weiterkommt, kann es besser sein, ein paar Tage an Anderem weiter zu arbeiten und Distanz zu schwierigen Kapiteln zu gewinnen.
Viele, die Schreiben müssen, leiden mitunter an Schreibstau: kein Gedanke lässt sich mehr zu Papier bringen, man lenkt sich ab und der Stau wird immer grösser. Im Folgenden sind einige Tipps angeführt, wie man Schreibstaus überwinden oder vermeiden kann.
Nur die letzten zwei Sätze durchlesen und fortfahren: Wenn man feststeckt, liest man besser nicht den ganzen vorhergehenden Text, da der Vergleich von gut ausformulierten Passagen mit dem harzigen Text, den man mühsam am Erstellen ist, lähmend wirken kann. Betrachtet man aber nur die letzten Sätze, werden Übergänge besser und der Text flüssiger (Perrin 1999: 69).
E-Mail-Technik: Es kann bei Schreibblockaden sinnvoll sein, einer Freundin oder einem Freund per E-Mail zu sagen, was man schreiben möchte und warum man nicht weiterkommt. Die Mail sollte in einem Zug geschrieben und nicht nochmals durchgelesen und korrigiert werden. Mit der Umstellung auf eine unkomplizierte Kommunikationssprache (oder gar Fremdsprache) löst man sich von bisher umständlichen und vertrackten Formulierungen und fördert so einen flüssigeren Schreibstil (Perrin 1999: 77).
Crash-Technik: Bei Schwierigkeiten mit den richtigen Formulierungen kann man sich, sozusagen als Radikalmassnahme, vorstellen, der Computer wäre abgestürzt und das File nicht gesichert worden. Der Abschnitt muss also komplett neu geschrieben, nichts darf von der bisherigen Version eingefügt werden. Dadurch wird das Beharrungsvermögen des bereits Geschriebenen ausgeschaltet und neue, flüssigere Formulierungen erleichtert (Perrin 1999: 87).
Textentwurf anderen Personen zum Lesen geben: Personen, die weder fachlich geschult noch in den Schreibprozess involviert sind, werden aufgefordert, das Wichtigste zusammenzufassen. Da andere LeserInnen den Text anders wahrnehmen, insbesondere auf Verständlichkeit, Textfluss und logischen Aufbau Wert legen, ist ein Gegenlesen ausserordentlich wertvoll. Die Zusammenfassung gibt Aufschluss darüber, ob der Text wie gewünscht verstanden wird und wo die LeserInnen stolpern (Perrin 1999: 61).
Schlussredaktion: Für die Überarbeitung des Textes ist genügend Zeit einzuplanen, da meist viele Korrekturen und Ergänzungen anfallen, die bei der Planung vergessen werden. Insbesondere zu kontrollieren sind Fussnoten, Verweise auf andere Kapitel, Kapitelüberschriften, Seitenzahlen im Inhaltsverzeichnis und Rechtschreibung (Kraas & Stadelbauer 2000: 131). Weiter sind die Logik in der Satzabfolge und der Fluss des Textes zu überprüfen.
Genügend Zeit für das Redigieren einplanen!